Pressemitteilung der Elterninitiative vom
24.06.2000 Sehr geehrte Damen und Herren,
Wir sind Mitglieder einer Elterninitiative in Blandikow, einem kleinen Dorf in der
Ostprignitz. Unser Dorf erlangt gerade die traurige Berühmtheit, als erstes im Land
Brandenburg in vorauseilendem Gehorsam die Sparmaßnahmen der Landesregierung umzusetzen
und seine KITA ohne Not zu schließen: Wie das zuständige Amt bestätigte, ist die
Offenhaltung billiger als die nun anstehenden Umlagenzahlungen. Die immer deutlicher
werdende Kinderfeindlichkeit unserer Gesellschaft ist am Beispiel der Politik der
Blandikower Gemeindevertreter klar sichtbar - Kinder sind teuer und damit
unwirtschaftlich.
Wir bitten Sie, sich des Themas anzunehmen, zumal es nach unserer Auffassung
überregionale Bedeutung hat: die Parallelen zur "großen" Politik sind
unverkennbar!
"KITA - NOVELLE AUF DEM DORFE"
Seit 55 Jahren gibt es in Blandikow eine Kinderbetreuung, erst als Erntekita, später als
Kinderkrippe und Kindergarten, seit einiger Zeit als KITA für Kinder aller Altersstufen.
Dadurch ist Blandikow attraktiv für junge Leute, im Dorf zu bleiben bzw. ins Dorf zu
ziehen. Im Umkreis haben fast alle dörflichen Kitas geschlossen: nur noch die
"großen" Sammelkitas überlebten. Durch das
Engagement von Eltern und Erzieherinnen konnte unsere Einrichtung bislang erhalten
bleiben.
Dem haben die Gemeindevertreter nun einen Riegel vorgeschoben: am 22,06,2000 beschlossen
sie, die KITA zum 31.12.2000 zu schließen.
CHRONIK VOM ENDE |
16.03.2000 |
Die Gemeindevertreter beschließen in
nichtöffentlicher Sitzung die Schließung der KITA aus unternehmerischen Gründen |
22.03.2000 |
Die Eltern der in der KITA betreuten Kinder
(welche auf unerklärliche Weise davon erfahren haben), laden die Gemeindevertreter zu
einem Gespräch ein, um die Hintergründe des Beschlusses zu erfahren. Sie bringen ihr
Befremden über die Art und Weise der Beschlußfassung zum Ausdruck. Die
Gemeindevertreter, insbesondere der Bürgermeister, sind wütend darüber, daß ein
"geheimer" Beschluß in die Öffentlichkeit gedrungen ist und sind zu
konstruktiven Gesprächen nicht fähig. Die Eltern bieten an, ein Konzept für eine
sozialverträgliche Schließung zu erarbeiten, welche den im nächsten Jahr
einzuschulenden Kindern einen doppelten Wechsel der Bezugspersonen innerhalb kurzer Zeit
ersparen soll. Nach dem Gespräch sind beide Seiten unzufrieden. |
30.03.2000 |
Das Amt weist den gefaßten Beschluß als
nicht rechtskräftig in
die Gemeindevertretersitzung zurück, da nach dem Kommunalgesetz ein solcher
Beschluß öffentlich diskutiert und gefaßt werden muß.
In der Zwischenzeit erarbeiten die Eltern gemeinsam mit dem
zuständigen Amt eine Planung für die Schließung der KITA zum September 2001.
Dabei stellt sich heraus, daß der Betrieb der Kita bis 09/2001 sogar 1500DM
weniger kostet als die Umlagen, die für die "Verlagerung" der Kinder in eine
andere KITA zu zahlen wären. Die Eltern denken, daß dem Weiterbetrieb bis
09/2001 nun nichts mehr im Wege steht. |
18.05.2000 |
Die Eltern stellen auf der
Gemeindevertretersitzung das
erarbeitete Konzept vor und weisen auf den Spareffekt bei Weiterbetrieb bis
09/2001 hin. Die Gemeindevertreter bezweifeln die vom Amt bestätigten
Zahlen. Die Eltern haben nach der Sitzung das Gefühl, das es den
Gemeindevertretern gar nicht um den Erhalt der KITA geht. Sämtliche
Redebeiträge der Gemeindevertreter argumentieren für die Schließung zum
31.12. |
15.06.2000 |
Die Kinder malen ein Transparent, welches vor
der KITA befestigt
wird. Aufschrift: "Bitte, wir bleiben hier, bitte"
17./18.06. Die Eltern sammeln im Dorf Unterschriften, welche die
Gemeindevertreter auffordern, sich um den Erhalt der KITA zu bemühen
anstatt sie zu schließen. Es unterschreiben 80% der wahlberechtigten
Einwohner Blandikows. |
22.06.2000 |
Auf der Gemeindevertretersitzung wird mit 6
gegen 1 Stimmen die
Schließung der KITA zum 31.12.2000 beschlossen. Zeitgleich beschließt der
Brandenburger Landtag die KITA - Novelle. |
Die Planungsunsicherheit aufgrund der KITA -
Novelle hat viel zur übereilten
Schließung der KITA Blandikow beigetragen.
Antenne Brandenburg und die MAZ (Regionalteil Dossekurier) haben den Schließungsprozes
begleitet.
Ein sehr aufschlußreicher Artikel findet sich in der MAZ (Regionalteil Dossekurier) vom
24/25.06.2001. |